„Wer regiert Hessen?“, diese Frage stand im Mittelpunkt eines Informationsabend des SPD-Ortsvereins Hessisch Lichtenau. Fast 40 Mitglieder und interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Hessisch Lichtenau und dem Umland waren der Einladung gefolgt. Sie sorgten mit Fragen, Vorschlägen und vielen Gedanken für eine interessante und vielschichtige Diskussion, freute sich auch der SPD-Abgeordnete und Vizepräsident des Hessischen Landtags Lothar Quanz. Kurzfristig war Quanz der Einladung der Lichtenauer Genossinnen und Genossen gefolgt und zeigte sich positiv überrascht von der guten Resonanz mitten in den Sommerferien.

Nachdem der Landtagsabgeordnete ausführlich darüber berichtet hatte, was seit der Landtagswahl vom 27. Januar in der SPD-Fraktion diskutiert und unternommen wurde, zeigte er im Anschluss auf, welche Möglichkeiten die derzeitige Konstellation unter Berücksichtigung der Hessischen Verfassung einräumt. Derzeit greife Artikel 113 der Verfassung, nach dem eine Landesregierung solange geschäftsführend im Amt verbleibt, bis das Parlament eine neue Regierung gewählt hat. 56 Stimmen sind erforderlich, derzeit können aber weder die Sozialdemokraten noch die CDU diese Mehrheit sicher hinter sich vereinen.

Neuwahlen sieht Lothar Quanz wie auch die Versammlung als ultima ratio. Eine Regierungsbildung soll möglichst auf Grundlage des Wahlergebnisses vom Januar erfolgen. Hessen wird nicht das letzte der „alten“ Bundesländer sein, in dem zukünftig 5 Parteien im Landtag vertreten sind, und so muss die Politik sich mit der veränderten Situation arrangieren.

Die SPD hat gemeinsam mit Grünen und der Linken bereits einige wichtige Gesetze auf den Weg gebracht. Insbesondere in der Schulpolitik hat die SPD mit Andrea Ypsilanti an der Spitze bereits Akzente gesetzt: In Hessen wird eine andere Schulpolitik gemacht, die gescheiterte Unterrichtsgarantie plus ist vom Tisch und das Streichen von Richtwerten sichert die Existenz der kleineren Schulstandorte. Auch Pläne der CDU-Regierung, Zuschüsse für die Schülerbeförderung zu Lasten der Eltern zu kürzen, wurden aufgrund der neuen Mehrheiten verworfen. Dies komme insbesondere den Einwohnern strukturschwacher Räumen wie dem Werra-Meißner-Kreis zugute. Hessen ist zurückgekehrt in die Tarifgemeinschaft der Länder, und mit der Streichung der Hochschulgebühren hat die SPD gegen den zeitweiligen Widerstand Roland Kochs das Land Hessen wieder ein Stück sozialer gestaltet. „Eine parlamentarische Mehrheit ist durchaus in der Lage zu handeln“, so Quanz, der klar stellte, dass trotz der derzeitigen Situation in Hessen kein Stillstand herrsche. „Dennoch ist es schwierig, Gesetze ohne Regierung zu machen“.

Der Haushalt 2009 wird zum entscheidenden Prüfstein werden, auch hier herrschte Einigkeit. Ohne Haushalt gibt es keine Gestaltungsspielräume, kann man keine politischen Akzente setzen. Hier jedoch setzt Roland Koch auf Zeit, indem er ankündigt, dass der Haushalt 2009 erst im Dezember eingebracht werden könne. Dies führt dazu, dass der Landesetat möglicherweise erst im April 2009 abschließend diskutiert wird. Ein mögliches Szenario zeigte Quanz für den Fall auf, dass kein Haushalt zustande kommt: Das Parlament würde aufgelöst und 60 Tage später würde gewählt, wahrscheinlich parallel mit der Europawahl und zeitnah zur Bundestagswahl. Entgegen dieser möglichen Koch-Strategie ist es Ziel der SPD, eine Regierung zu bilden, die bis zum Jahr 2013 hält. Hier sind noch weitere Gespräche mit möglichen Partnern erforderlich. Diese wird die Fraktion im Anschluss an die Sommerpause führen.

Zahlreiche Beiträge aus der Versammlung beschäftigten sich mit der Frage wann die SPD mit wem eine Regierung bilden könne. Über den Zeitpunkt herrschte breite Einigkeit, noch 2008 müsse die geschäftsführende Regierung abgelöst werden. Die Meinungen, mit wem diese Ablösung herbeigeführt werden soll, unterschieden sich. Eine Zusammenarbeit mit der Linken wurde nicht ausgeschlossen, auch wenn zahlreiche Beiträge sich kritisch mit deren Personen und Zielen auseinandersetzten. Eine mögliche „Ampelkoalition“ wurde aufgrund der starren Haltung der FDP als wenig wahrscheinlich beurteilt, eine große Koalition auf Landesebene sei aufgrund der großen inhaltlichen Diskrepanzen kaum möglich. Einer Minderheitsregierung mit den Grünen als Koalitionspartner und sonst wechselnden Mehrheiten erklärte Lothar Quanz eine klare Absage. „Ohne vertragliche Vereinbarungen sind dauerhaft verlässliche Regierungsverhältnisse nicht machbar, und die wollen wir für Hessen mit Andrea Ypsilanti an der Spitze hinbekommen!“.

Abschließend dankten der SPD-Landtagsabgeordnete und Ortsvereinsvorsitzender Heinz E. Vogt allen Anwesenden für einen sehr interessanten und informativen Abend, der in dieser Form mit weiteren aktuellen Themen sicher eine Wiederholung finden wird.

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